Mit der Trauer leben lernen

Eine Welt bricht zusammen

Ein sehr naher Mensch ist gestorben. Alles ist auf einmal anders. Unfassbar, dass dieser Vertraute niemals wieder kommen wird. 'Niemals' ist ein tiefes, schwarzes Loch. Der persönliche Albtraum beginnt...

So oder ähnlich erleben Menschen den ersten Schock einer unwiderruflichen Botschaft. Mit den verzweifelten Gedanken und Gefühlen umzugehen, wird nun ein 24-Stunden-Job. Zunächst produziert der eigene Körper noch Stoffe, die den unfassbaren Schmerz betäuben, um so das erste Überleben zu ermöglichen. Doch die Wunde bricht immer wieder auf und macht es notwendig, sich jeden Tag mit dem unbegreiflichen Verlust auseinander zu setzen.

 

Eine Wunde ist der Ort, durch den das Licht in dich fällt.

Rumi

Hilfe aus eigener Kraft

Wer so viel Schweres erlebt hat, steht vor einer großen seelischen Aufgabe: Gerade in der Krise gilt es, für sich selbst achtsam zu sorgen und sich selbst Gutes zu tun. Keine leichte Übung. Dennoch besonders wichtig, damit wir verlorene Gewohnheiten, die uns Geborgenheit gegeben haben, mit neuen Wegen überschreiben lernen. Die Autobahnen unseres Gehirns sind ja plötzlich voller Baustellen und wir benötigen Umleitungen, die uns zwar umständlich vorkommen, aber bei häufiger Nutzung immer selbstverständlicher werden:

  • Ich gestalte mein Zuhause so, dass ich mich darin wohlfühlen kann. Wenn ich abends nach Hause komme, habe ich vorher für Licht gesorgt, sodass ich mein Zimmer hell vorfinde. Ich habe mir auch schon vorher Blumen hingestellt.
  • Ich überfordere mich nicht. Ich bedenke, wie viel meiner Zeit und Kraft die Trauer in Anspruch nimmt. Wenn ich all meine normale Arbeit und Tätigkeiten hinzurechne, wird mir deutlich, warum ich so oft erschöpft bin. Ich gönne mir Ruhe und Erholung. Durch regelmäßige Entspannung gewinne ich mehr Gelassenheit.
  • Wenn ich meine Trauer einfühlsamen Menschen gegenüber äußere, spüre ich, dass manchmal auch etwas Freude in mein Leben einkehren kann. Trauer und Freude schließen einander nicht aus. Wenn das eine Gefühl freien Lauf hat, kann das andere auch fließen.
  • Ich spüre meine Grenzen. Ich sage rechtzeitig "Stopp", wenn ich merke, dass ich von den eigenen Gefühlen oder von den Gefühlen anderer total überschwemmt werde. Ich atme tief aus, stelle meine Füße fest auf den Boden. So finde ich wieder Grund.
  • Oft fühle ich mich hin und her gerissen. Ich versuche dennoch eine Balance zu halten. Laufen und bewegen tut mir gut. Ich gehe nur soweit, wie ich heute sehen kann. Mehr muss ich noch nicht wissen.
  • Ich achte auf ermutigende Zeichen, die mich trotz allem erfreuen können. Ich entdecke Bilder und Symbole, die mich weiter führen. Manchmal schreibe ich auf, was ich erlebe. Ich probiere aus, wie ich mich ausdrücken kann, was mich weiter bringt und was mich ernährt.

Verständnis von anderen

Außenstehenden fällt es nicht immer leicht, Verständnis für das Verhalten Betroffener zu haben. Sie machen sich Sorgen, wenn der Trauernde sich zurück zieht oder nicht so reagiert, wie man es erwarten würde. Trauer kann irritierend sein. Nicht immer wird die Fragen : "Wie geht es dir" oder "Was möchtest du gerne machen", befriedigend beantwortet. Freunde sind deshalb besonders dann hilfreich, wenn sie weniger tun und mehr Raum geben. Zuhören und einfach mal stehen lassen, was der andere erzählt. Wir müssen nicht immer eine Lösung parat haben oder den anderen darin forcieren, den nächsten Schritt zu tun. Gemeinsame Spaziergänge, miteinander kochen und dabei respektieren, wenn es mal nicht geht oder schon nach kurzer Zeit genug ist. Es klappt eben nicht alles so wie früher. Diese Haltung macht es Trauernden leichter, im eigenen Tempo mit dem Tod eines geliebten Menschen umgehen zu lernen.

 

Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.

Mascha Kaleko

 

Buchtipp

Trauern mit Laib und Seele: Orientierung bei schmerzlichen Verlusten (Fachratgeber Klett-Cotta/ Hilfe aus eigener Kraft) von Klaus Onnasch und Ursula Gast

 

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