Fundgrube zu Weihnachten
Im Advent will ich Wörter verschenken. Kleine, ganz handfeste - denn manche Wörter sind viel zu schade, um sie nur zu sagen. Ein Stück festen Karton, einen Buntstift: Mehr brauche ich nicht, um eine Karte voller FROHSINN zu malen. Ich stell' sie meinem Mann vor einem anstrengenden Tag vor den Badezimmerspiegel. Der gestressten Kollegin lehne ich MUßE an den Bildschirm. Für meine Tante schneide ich Pappbuchstaben aus und schicke ihr GESEGNETE WEIHNACHTEN in bunten Farben, sie puzzelt so gerne. Vielleicht mache ich mir selbst auch ein Geschenk, lege GELASSENHEIT auf meinen Nachttisch. Denn manchmal macht ein einziges Wort einen Tag hell.
"Engel" wird sie genannt, oder auch "Schwester Frieda". Niemand weiß, wie sie wirklich heißt und wie alt sie ist. Sie erzählt keine Geschichten. Sie sucht kein Gespräch. Arm sieht sie aus, mit beiden Händen hält sie sich an ihrem mit Tüten bepackten Rollstuhl fest. Sie bittet nicht um Hilfe. Sie steht einfach da. Schon seit zwanzig Jahren. Mitten im Getümmel des Züricher Hauptbahnhofes. Fast jeden Tag. Stundenlang. Es hat sich herumgesprochen, wofür sie da ist. Sie segnet. Das ist ihre Aufgabe. Meistens tut sie es beiläufig – ohne große Gesten und lautlos segnet sie die vorbei eilenden Reisenden. Wie ein immer währendes Gebet. Manchmal bleibt jemand stehen. Scheinbar sorgenvoll, weil etwas Schweres bevorsteht. Auch dann bleibt sie leise mit geschlossenen Augen. Aber die Menschen in Zürich vertrauen ihrem Engel am Rande der Bahnhofshalle. Und sie wissen sich gesegnet für den Weg. Mitten im Getümmel. Fürchte dich nicht!
Unsere Krippe hat mein Mann in unsere Ehe gebracht, völlig nichtsahnend von den daraus entstehenden Komplikationen. Die Krippe stammt aus seiner norddeutschen Heimat und sieht eigentlich nicht nach Bethlehem aus, sondern, nun ja, nach Brunsbüttel-Schmedeswurth. Sie ist von dichtem Wald umgeben, und öfter schauen dessen Bewohner, Reh, Hirsch, Hase und Eichhörnchen im Stall vorbei. Wir haben uns angewöhnt, dass die Krippe am ersten Advent feierlich hervorgekramt wird, und nach und nach treffen die Bewohner ein, als erstes der Ochse als mutmaßlicher Dauerbewohner. So dachte ich mir das. Doch immer öfter kam es vor, dass, wenn ich der Krippe den Rücken zukehrte, seltsame Gestalten sich dort niederließen. Der Elefant ging ja irgendwie noch, aber der Pinguin, der Gorilla, das Stinktier und das Walross, das es sich in der noch leeren Krippe gemütlich machte, das fand ich doch eher unpassend. weiter lesen
Es war einmal ein kleiner Junge namens Henry. Einige Wochen vor Weihnachten baten ihn seine Eltern, einen Wunschzettel zu schreiben. Das viel ihm dieses Jahr gar nicht leicht. Letztes Jahr wusste er sofort, was notiert werden sollte: Lego, Puzzles, den neusten Band seiner Lieblings- Bücherreihe. Doch dieses Jahr konnte er die Spielzeug Kataloge noch so lange durchblättern, nichts konnte ihn begeistern. Überhaupt war er dieses Mal noch gar nicht so recht in Weihnachtsstimmung. Schließlich setzte er sich seufzend an seinen Schreibtisch, nahm ein Blatt Papier und seine Hände begannen, wie von selbst zu schreiben: weiter lesen
Es war einmal, etwa drei Tage vor Weihnachten, spät abends. Über den Marktplatz der kleinen Stadt kamen ein paar Männer gezogen. Sie blieben an der Kirche stehen und sprühten auf die Mauer die Worte "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen". Steine flogen in das Fenster des türkischen Ladens gegenüber der Kirche. Dann zog die Horde ab. Gespenstische Ruhe. Die Gardinen an den Fenstern der Bürgerhäuser waren schnell wieder zugefallen. Niemand hatte etwas gesehen. weiter lesen
Rund um die Wiese herum, wo Kühe und Pferde grasten, stand eine alte Steinmauer. In dieser Mauer - nahe bei Scheuer und Kornspeicher - wohnte eine Familie schwatzhafter Feldmäuse. Aber die Bauern waren weggezogen, Scheuer und Kornspeicher standen leer. Und weil es bald Winter wurde, begannen die kleinen Feldmäuse Körner, Nüsse, Weizen und Stroh zu sammeln. Alle Mäuse arbeiteten Tag und Nacht. Alle - bis auf Frederick. weiter lesen
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